Als Eltern wünschen wir uns, dass unsere Kinder später in der Lage sein werden, sich zu verlieben und erfüllte Partnerschaften zu führen. Stabile Bindungen während der Kindheit und eine offene Kommunikation innerhalb der Familie begünstigen eine positive Identitätsentwicklung, welche notwenig ist, um Beziehungen zu wahren. Für uns Menschen ist eines der wichtigsten Bedürfnisse, jenes nach Verbundenheit. Und Sex ist ein nicht unbeträchtlicher Teil davon. Für eine gesunde Entwicklung, sollte das Sprechen über unser Geschlechtlichkeit kein Tabu sein und nicht nur als Wissensvermittlung, sondern auch als Möglichkeit zum Werteabgleich zwischen den Generationen, angesehen werden. Aber wie mach ich's nur? Darum soll's heute gehen:
Sollte es überhaupt so etwas wie "das" Aufklärungsgespräch geben?
Ich behaupte: Nein. Warum? Weil Sexualität in jeder Lebensphase ein Teil von uns ist. Fragende Kleinkinder wollen nicht provozieren, sie sind einfach nur neugierig und zeigen Interesse am eigenen Körper. Vertröste die Kleinen nicht auf später, sondern beantworte die Fragen sofort und altersgerecht. Auch wenn es dir unangenehm ist, für die Kleinsten ist es nur ein Thema von vielen, wie zB Dinos, Feuerwehr und Prinzessinnen. Macht dein Kind früh die Erfahrung über Sexualität sprechen zu können, hat es die Gewissheit auch mit Problemen zu dir kommen zu können. Je näher der Nachwuchs der Pubertät kommt, desto peinlicher werden ihm Gespräche über den eigenen Körper und das andere Geschlecht. Dies ist völlig normal und kein Grund zur Sorge. Aufklärung sollte also laufend und schrittweise erfolgen.
Aber ist Aufklärung heutzutage überhaupt noch notwenig?
Ja. Auch wenn du den Eindruck hast, dein Teenager wüsste über alles Bescheid. Es ist in einer Welt, die geprägt ist von Facebook, Instagram und Netflix, unsere Aufgabe als Eltern zu normalisieren. Die erste Liebe kann schmerzhaft enden, die körperliche Entwicklung in der Pubertät kann überfordern und das erste Mal kann sich als große Enttäuschung entpuppen... Das Real Life lässt sich eben nur begingt mit der Glitzertest der Influenzer vergleichen. Umso wichtiger ist es, dass wir mit unseren Kindern ehrlich über Sex, Partnerschaft, Erwartungen und Enttäuschungen sprechen.
Muss ich ins Detail gehen?
Jein. Je jünger das Kind ist, desto oberflächlicher kannst du bleiben. Bei den Kleiner kannst du kindliche Sprache verwenden. Je älter dein Kind wird, desto klarer solltest auch du werden. Bleib aber auf alle Fälle bei der Wahrheit und lass den Storch aus dem Spiel😉. Achte auf die Körpersprache und den Gesichtsausdruck deines Kindes, hör ihm genau zu. Halte keinen Vortrag, sondern stelle offene Fragen, wie zB: "Wie glaubst du, dass Babys zur Welt kommen?" im Kindergartenalter und "Wie ist deine Vorstellung von gutem Sex?" bei Teenies. Teenager sind Einflüssen aus unterschiedlichsten Richtungen ausgesetzt, sie wollen es oft ganz genau wissen: Sexuelle Praktiken, Transsexualität und Prostitution können zum Thema werden. Auch hier geht es darum, zu normalisieren. Dies gibt den jungen Erwachsenen Sicherheit und hilft ihnen dabei selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen.
Soll ich warten bis Fragen kommen, oder kann ich Anlässe beim Schopf packen?
Klar, kannst du anlassbezogen reagieren. Ist ein Geschwisterchen unterwegs, oder wird die beste Freundin große Schwester, ergeben sich erste Gespräche wie von selbst. Bei den Älteren gilt: Interessiere dich für die Bücher, die dein Kind liest und für die Serien, die es schaut. Nicht selten ergeben sich daraus Fragen, die es zu beantworten gilt.
Mir ist das so peinlich...
Wie wurdest du aufgeklärt? Wann und von wem? Eventuell war es keine gute Erfahrung für dich, oder das Thema wurde in deiner Herkunftsfamilie völlig tabuisiert. Gratulation. Denn nun weißt du, wie du es in deiner Familie nicht handhaben möchtest! Sprecht immer mal wieder darüber, geh Schritt für Schritt vor und auch du wirst bemerken, dass es plötzlich zur Normalität wird und gar nicht mehr so schambesetzt ist. Sexuelle Aufklärung ist schließlich auch eine Wertevermittlung. Achte darauf ob du – bewusst oder unbewusst – jene Botschaften vermittelst, die du auch vermitteln möchtest!
Inwieweit soll ich auf kindliche Sexualität eingehen?
Kinder sind sexuelle Wesen und zwar von Geburt an. Allerdings hat kindliche Sexualität nichts mit der genitalen Sexualität der Erwachsenen zu tun. Im Mittelpunkt stehen die Bedürfnisse, schöne Gefühle zu erfahren und den eigenen Körper im Hier und Jetzt ganzheitlich wahrzunehmen. Keinesfalls geht es darum Zuneigung zu anderen zu zeigen. Es sollten, sowohl auf der elterlichen, als auch auf der kindlichen Seite, Grenzen gewahrt werden. Zum Beispiel, ist es zu respektieren, wenn ein Kleinkind nicht von jedem gewickelt oder geküsst werden will. Auf der anderen Seite ist es unsere Aufgabe als Eltern das Kind darauf aufmerksam zu machen, wann Selbstbefriedigung in Ordnung ist und wann bzw. wo es nicht passend ist. Diese hat nichts Verwerfliches oder Anstößiges an sich, sondern ist Teil einer normalen sexuellen Entwicklung.
Wie kann ich mein Kind vor sexuellen Übergriffen schützen?
Aufklärung = Kinderschutz. Durch einen offenen und unverkrampften Umgang mit dem Thema Sexualität innerhalb der Familie, stellst du sicher, dass dein Kind weiß, es kann auch mit unangenehmen Themen zu dir kommen. Je früher
Kinder Worte für ihre Geschlechtsteile haben, desto eher können sie auf Missbrauch oder Schmerzen hinweisen.
Soll der Vater dabei sein?
Ja, wenn möglich, sollte der Vater in die Sexualerziehung integriert sein. Gerade pubertierende Jungs tun sich manchmal leichter sich einer männlichen Bezugsperson anzuvertrauen. Das kann aber auch der Onkel, Großvater oder Vertrauenslehrer sein. Vermeide nur die konstruierte Situation eines Aufklärungsgespräches zwischen Halbwüchsigen und beiden Elternteilen am Küchentisch. Zwei gegen einen war noch nie fair😉.
Ich freuE mich über dein Feedback
Wie ist Aufklärung bei euch in der Familie abgelaufen? Was würdest du heute anders machen? Habe ich etwas Wichtiges vergessen? Dann teile es doch mit mir und den anderen Lesern in den Kommentaren⬇️
Auch über Themen-Vorschläge für zukünftige Blogbeiträge würde ich mich sehr freuen⬇️
Als Systemische Beraterin und Mutter von 3 Kindern liegen mir Familien besonders am Herzen. Beratungsthemen könnten sein: Schulprobleme, Erziehungsfragen, verwaiste Eltern, Trotzphase, Pubertät, Sexualberatung, Trennung, Patchwork uvm.
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